Aktualisierung 29.6.2017

Franzose, Belgier, Ire, oder Engländer? Das ist die Frage. Trotz intensiven Recherchen im Netz konnte ich zu Anfang nicht schlüssig herausfinden, ob es sich bei diesem zierlichen Revolver um eine Variante des British-, oder Belgisch bull-dog, oder einen Irish Webley Constabulary handeln könnte. Jedenfalls sind alle Schraubengewinde englisch. Lauf und Griff würden einem Webley entsprechen. Der Holzgriff ist aus einem Stück und mit Holzschrauben von oben und unten verschraubt. Es fehlt jegliche Beschriftung und die äusserliche baugleiche Form von Trommel und Abzug mit Webley. Zudem hat dieses Gerät einen Sicherungshebel was bei den Engländern meist fehlt. Auf der Trommel finde ich ein belgisches Beschusszeichen für Schwarzpulver.
Also doch eher ein Belgier. Ein Bild eines bis ins Detail baugleichen Geräts, habe ich bisher einfach nicht entdecken können. Das Kaliber, wie es scheint .380 Revolver ist heute eher selten. Für eine Schwarzpulverpatrone mit einem Geschossdiameter von.361 - .364 je nach Quelle also ca. 9.5mm, habe ich bisher auch keine passenden Wiederladewerkzeuge gefunden. Fest steht ein 9mm Bleigeschoss fällt einfach durch den Lauf.
Der Anfangsszustand:
Weil Rost, Dreck und fehlende Teile die Schönheit des Objekts verstecken, fristete wohl das Ding schon beim Vorbesitzer seit etlichen zig Jahren einen Dornröschen oder Schubladenschlaf. Nun hielt ich das Stück Edelschrott wieder einmal in der Hand und wiegelte ab. Ist es nun Schrott, oder vielleicht doch eine Restaurierung wert. Die erneute Kontrolle ergab natürlich immer noch, Rost, Dreck und defekte oder fehlende Bestandteile. Konkret, die Rückstell-Schenkelfeder unter dem Abzug ist gebrochen, die Ladeklappe rechts fehlt und der Patronen-Entladeschieber wurde durch einen Nagel imitiert. Der Entschluss: Restaurierung.
Bei der Demontage zeigte sich, dass auch die feine Blattfeder am Schalthebel für die Trommeldrehung mürbe war und plötzlich separat auf dem Tisch lag.
Die Putzarbeit: Reinigen, schaben und Polieren mit Stahldrahtscheibe und Stahlwatte, dann mit Filzscheibe, Bijouterieschleifern, Polierpaste und Schwabelscheibe bis zum Zustand silberweiss glänzende Oberfläche. Tiefere Scharten und Kratzer liess ich unkaschiert sichtbar, das Ding hat schliesslich gute 100 Jahre Geschichte hinter sich.
Nachbauteile:
Die Ladeklappe: Ohne eine geeignete Detailaufnahme als Vorlage zu besitzen galt es einen passenden Nachbau zu schaffen. Ein Segment aus einer dicken Unterlagscheibe geschnitten bildete die Materialgrundlage, dann galt es in traditioneller, spanabgebender Handarbeit eine Ladeklappe zu formen und einzupassen. Nun mussten die zwei Teile noch vereint werden. Das Loch für die vorhandene Befestigungsachse festlegen, anzeichnen und bohren. Nach einigen weiteren Feilenstrichen klappt, passt und schliesst das neue Teil am alten Schaft und macht einen ordentlichen Eindruck, der Rest war nun noch äussere Oberflächenkosmetik.
Die Blattfeder: Am Lager eines „Jäger und Sammlers“ liegt alles Mögliche, aber nicht immer genau das was er jetzt gerade haben müsste. Aus einem etwas dünneren aber vorrätigen Federstahlstück starte ich einen Versuch. Zuschneiden, glühend in Form bringen, härten und anlassen. Die Feder passt und was mich schon mal etwas stolz macht, sie federt auch. Wegen des dünneren Materials hat sie aber wie erwartet, etwas zu wenig Kraft in den Schenkeln um die komplette Funktion zu erfüllen. Doch die Singleaktion-Funktion konnte damit bereits erreicht werden. Ein Besuch bei einem begnadeten Töffrestaurator war hilfreich. Bereitwillig schnitt er mir aus seinem Bestand ein Stückli Federstahl in geeigneter Stärke ab. Der zweite Feder-Versuch wird also demnächst folgen.
Die kleine Blattfeder am Trommelschalthebel: Nachdem es mir nicht gelang das geklemmte Reststück der eingelassenen Blattfeder aus dem Hebel zu entfernen beschloss ich das Teil nicht weiter zu plagen und gleich unterhalb der Klemmstelle ein 0.75mm Löchli in den Hebel zu bohren, um einen runden Federdraht einsetzen zu können. Was gut gelang und auf Anhieb funktionierte.
Der Entladestössel: Im Urzustand steckte ein Nagel in der Schwenkführung. Dieser Stössel dient dazu, die abgeschossenen Hülsen aus der Trommel zu stossen. Aus einem im Durchmesser geeigneten Stahlstift gestaltete ich einen neuen Patronen-Entladestössel mit Längsnut und randriertem Kopfstück.
Die Oberfächenveredlung: Beim Zerlegen kamen Spuren von Nickelbeschichtung zum Vorschein. Bilder ähnlicher ganz vernickelter Geräte findet man im Netz. Diese Art einer Endbehandlung kam für mich bei einer Restaurierung nicht in Frage. Ich bevorzuge das für diese Zeit und Geräte gebräuchliche und für mich machbare thermische Brünieren der einzelnen Teile. Demontiert und silberweiss glänzend wurde jedes Teil einzeln golden brüniert oder gebläut und in Öl abgeschreckt. Der ganze Revolver präsentiert nun sehr schön, macht er doch einen originalgetreuen, fast neuwertigen Eindruck. Und was mich sehr freut. Ich habe dieses Endbehandlungs-Verfahren mittlerweile einigermassen in den Griff bekommen. Nebenbei, Scharten und Kratzer sind kaum mehr störend. Der Holzgriff mit Bürste und Schmierseife gereinigt, bekam nach ausgiebiger Trocknungszeit eine frische Ölung.
Munition: Damit man das „Dornrösli“ wieder wecken kann, gilt es bis zur nächsten Freiluft-Saison noch passende Munition aufzutreiben oder zu machen.

Munition .380 corto/Revolver: Das Dornröschen ist aus dem Schubladenschlaf geweckt. Am Pfingst-Dienstagabend habe ich die ersten paar Schüsse mit dem restaurierten "Chlöpferli" getan.
Hülsendaten: siehe vermasstes Bild im Anhang, Quelle I-Net
Man liest im Netz allerhand Patronenmasse für die .380 corto/Revolver, ja scheinbar gab es da noch einige Variationen.
Irgendwo habe ich ein Geschossmass .361 = 9.2mm gelesen. Fest steht, 9mm und 38er Geschosse fallen einfach durch den Lauf. Bei meinem Bleidurchtrieb messe ich Feldmass=9.25 und Zugmass=9.43mm.
Bild: Es soll eine einzelne original .380 corto Patrone sein, Quelle I-Net.
Fertig geladen messe ich bei meinem Replikat am Hülsenmund 9.64mm, dann passt die Patrone ohne klemmen sauber in die Trommel. Gesamtlänge der Patrone: 25mm
Als Quellhülse bediene ich mich der Hülse 38spez. Sie wird in der Drehbank auf 18mm gekürzt und weil die Trommelschaltung sonst nicht sauber funktioniert wird auch der Hülsenrand um 1½.Zehntel im Durchmesser auf originale 10.85mm reduziert. Das Geschoss, mit einer Lee Kokille .375-130-R1 gegossen und gefettet passt nach entsprechender Hülsenaufweitung sauber in die verkürzte 38er Hülse.
Einen Matrizensatz für .380 Revolver/corto habe ich bisher nicht gefunden. Der Tüftler improvisiert und missbraucht den vorhandenen 9mm Para Matrizensatz. Ohne diesem spanabhebende Verunstaltungen anzutun geht es nicht, die Setzmatritze musste ich etwas ausschleifen. Das Resultat ist aber recht ordentlich. Anbei das Bild der ersten 6 meiner .380-Patronen. Geladen mit zarten 2 grn Norma R1. An der Replika-Patrone entsteht ein leicht konischer Krimp auf der 2. Fettrille.
Das Schussresultat sind tiefe Linkstreffer aber befriedigend. Das Schussempfinden, wie eine zarte .32WC. Wegen des ramponierten Stossbodens im Revolver bekomme ich Patronen mit leicht bombierten Zündhüeli raus. Das führt dazu, dass die Trommel nach dem Schuss gar nicht gerne weiter schaltet. Ich werde wohl am Revolver noch eine geeignete Stossbodenscheibe einbauen müssen. Und um etwas Höhe zu gewinnen, hoffe ich, sollen die nächsten 6 Patronen dann 2.2grn Pulver bekommen.
Alles in Allem freut es mich, dass dieses hübsche Revolverchen wieder Laut geben kann.